Vergangenen Mittwoch haben wir mit „Ohne Kerosin nach Berlin Bayern“ (OKNB) und vielen weiteren Unterstützer:innen (insgesamt etwa 60 bis 70 Teilnehmende) in Heidelberg für die Themen Klimaschutz, Mobilitätswende und Bauwende demonstriert. Dementsprechend wurden die Route und die Redebeiträge ausgewählt.

Wir nutzten unseren Redebeitrag, um nicht nur auf die Verkehrssituation vor dem Hauptbahnhof und den aktuell stark in der Diskussion stehenden Verkehrsversuch in der Mittermeierstraße hinzuweisen, sondern auch die Verbindung zwischen dem Pendelverkehr zum Neuenheimer Feld und der Wohnungssituation in Heidelberg darzustellen.

Redebeitrag:

Liebe Teilnehmende der heutigen Fahrraddemo,

wie wir auf unserer Fahrt feststellen konnten, dominiert das Auto noch immer den öffentlichen Raum. Die mehrspurigen Verkehrsachsen zerteilen förmlich das Stadtgebiet in einzelne Inseln. Die Lärm- und Abgasbelastung, die Überhitzung des Straßenraumes sowie die Gefahr, die vom Verkehr ausgeht, verdrängen die Menschen aus dem öffentlichen Raum. Zufußgehende und Radfahrende werden an die Straßenränder geschoben. Der Schutz der Schwächsten findet kaum Berücksichtigung.

Wir sind gerade am Hauptbahnhof vorbeigefahren. An einem Hauptbahnhof sollte eine Stadt die ankommenden Menschen eigentlich mit einer Geste der offenen Arme empfangen. Diese Geste sollte ausdrücken:

„Hallo liebe Menschen. Schön, dass ihr gekommen seid. Lasst euch nieder. Genießt die Stadt und das gute Leben für alle.“

Stattdessen liegt vor dem Hauptbahnhof eine völlig überdimensionierte Asphaltebene. Einschließlich der Abbiegespuren zum Teil mit 7 Autospuren nebeneinander. Kein Ort zum Wohlfühlen. Kein Ort für einen Aufenthalt. Kein Ort für Menschen.

Paradoxerweise wurde vor einiger Zeit ein Interview des amtierenden Bürgermeisters von Heidelberg in der New York Times mit dem Titel veröffentlicht „Die Stadt, in der Autos nicht willkommen sind“. Das lässt sich vor dem Hauptbahnhof so nicht bestätigen. Dort entsteht eher der gegenteilige Eindruck.

Direkt nach dem Hauptbahnhof sind wir die Mittermaierstraße entlanggefahren. Die wichtigste Verkehrsachse durch Heidelberg zum Universitätsgelände als größte Arbeitgeberin der Stadt. Und ein wichtiger Baustein der Mobilitätswende für den Radentscheid hier in Heidelberg. In den Diskussionen um die Mittermaierstraße wird deutlich, welche grundsätzlichen Veränderungen vorgenommen werden müssen. In der Mittermaierstraße haben wir einen begrenzten Straßenraum, der fast ausschließlich dem Autoverkehr zugeordnet wurde. Zufußgehende und Radfahrende müssen sich jeweils einen viel zu schmalen Seitenstreifen teilen. Anstatt den begrenzten Raum für alle sicher und komfortabel zu gestalten, werden die Belange von Zufußgehenden und Radfahrenden nicht berücksichtigt. Das darf so nicht bleiben. Dafür setzen wir uns ein.

Als uns die Stadtverwaltung Anfang 2022 einen Verkehrsversuch mit der Umwidmung einer Autospur in einen Radweg in der Mittermaierstraße in Aussicht stellte, verzichteten wir auf die Anmeldung eines Pop-Up-Radwegs. Durchgeführt wurde der Verkehrsversuch bisher jedoch nicht. Es kann sogar sein, dass demnächst der Gemeinderat Heidelbergs gegen die Durchführung des Verkehrsversuchs stimmt. So weit darf es nicht kommen.

Aber die Mittermaierstraße verdeutlicht noch ein weiteres Problem. Menschen, die sich gegen eine Neuaufteilung des Straßenraumes in der Mittermaierstraße aussprechen, argumentieren zum Teil, dass die Beschäftigten des Univeritätsgeländes ja mit dem Auto in die Stadt pendeln müssten, weil sie außerhalb Heidelbergs wohnen würden und dort keine gute ÖPNV-Anbindung bestehe. Aber warum wohnen diese Menschen außerhalb Heidelbergs und warum müssen sie mit dem Auto pendeln? Ich denke nicht, dass es den Menschen gefällt, ihre Lebenszeit im Auto zu verschwenden. Wenn sie die Möglichkeit hätten, würden viele der Pendler:innen mit Sicherheit auf ihr Auto verzichten, um von ihrem Wohnort zum Arbeitsplatz zu gelangen. Es fehlt in Heidelberg einfach Wohnraum. Insbesondere bezahlbarer Wohnraum. Die Forderung nach bezahlbarem Wohnraum und der Mobilitätswende gehören also unbedingt zusammen.

In den kleinen Konfliktbereichen wie der Mittermaierstraße spiegeln sich die grundsätzlichen und übergreifenden Probleme der Mobilitätswende wider. Aus diesem Grund danken wir OKNB dafür, dass sie sich nicht nur bundesweit für eine klima- und menschengerechte Mobilitätswende einsetzen, sondern auch uns dabei helfen, auf die Dringlichkeit der Mobilitätswende hier vor Ort hinzuweisen.

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