Die hohen Feinstaubwerte während der bundesweiten Inversionswetterlage Anfang Februar haben deutlich gemacht, dass Heidelberg dringend etwas tun muss, um die gesundheitsgefährdenden Stoffe zu reduzieren. Da der motorisierte Verkehr maßgeblich für die hohen Werte verantwortlich ist, wird einmal mehr die Notwendigkeit einer konsequenten Verkehrswende hin zu umweltfreundlichen Mobilitätsformen deutlich. Der motorisierte Verkehr muss reduziert, der Fußverkehr gefördert und die Radstrategie endlich umgesetzt werden.
Gesundheitliche Gefährdung
Die Europäische Kommission stellt fest:
„Etwa 300.000 vorzeitige Todesfälle pro Jahr und eine erhebliche Zahl nicht übertragbarer Krankheiten wie Asthma, Herz-Kreislauf-Probleme und Lungenkrebs sind auf Luftverschmutzung zurückzuführen. Die Luftverschmutzung ist nach wie vor die häufigste umweltbedingte Ursache für den frühzeitigen Tod in der EU. Die schlimmsten Schadstoffe sind Partikel, Stickstoffdioxid und Ozon.“ (EU-Pressemitteilung 2024, S. 1)
Auf Deutschland heruntergebrochen waren dies 2020 ca. 28.900 vorzeitige Todesfälle durch Feinstaubbelastung und ca. 10.000 vorzeitige Todesfälle durch NO2-Belastungen (https://www.eea.europa.eu/publications/air-quality-in-europe-2022/health-impacts-of-air-pollution-table2).
Von dieser Situation sind besonders die vulnerablen Gruppen betroffen, wie Kinder, Menschen mit Vorerkrankungen, ältere Menschen und Menschen, die unter schlechteren gesellschaftlichen und wirtschaftlichen Rahmenbedingungen leben.
Feinstaub – die größte Gefahr
Am 01.03.2023 wurden die Umweltzonen in Heidelberg aufgehoben, da die entscheidenden Luftschadstoffe, wie Stickstoffdioxid und Feinstaubpartikel (PM = particulate matter) mit einem Durchmesser von 10 Mikrogramm pro Kubikmeter Luft (PM 10 µg/m³) über einen längeren Zeitraum die geltenden Grenzwerte eingehalten hatten.
Allerdings hatte man zu dem Zeitpunkt die Feinstaubpartikel mit einem Durchmesser von 2,5 µg/m³ noch nicht im Blick, die nach Aussage der EU verantwortlich für die vielen vorzeitigen Todesfälle sind. Es geht also vor allem um diesen „am stärksten verbreiteten Luftschadstoff – Feinstaub (PM 2,5)“, der dringend reduziert werden muss (Europäische Kommission 2022, S. 1).
Auch die Weltgesundheitsorganisation (WHO) hebt die gesundheitliche Gefährdung durch die erhöhte PM 2,5 µg/m³ Belastung hervor und weist darauf hin, dass für diese Auswirkungen kein Schwellenwert gefunden werden konnte, d. h., sie können auch bei Belastungen unter dem Grenzwert gesundheitsschädlich sein und mit einer signifikanten Verminderung der Lebenserwartung einhergehen (Umweltbundesamt, S. 1).
Der Verkehr – hauptverantwortlich für Feinstaub
Wie schon bei der Einrichtung der Umweltzonen, deren Abschaffung vom NABU, BUND und dem Landesnaturschutzverband Baden-Württemberg am 21.12.2022 eindringlich kritisiert wurden, ist klar, dass der motorisierte Verkehr Hauptemittent der Luftschadstoffe ist und bleibt. Der Luftreinhalteplan (2006, S. 37) der Stadt Heidelberg sagt dazu:
„Wie die Ursachenanalyse der UMEG (Zentrum für Umweltmessungen, Umwelterhebungen und Gerätesicherheit Baden-Württemberg) aufzeigt, ist der motorisierte Straßenverkehr Hauptverursacher der NO2-Belastung in der Umgebung von Messpunkten. Daher sind die Maßnahmen zur Verminderung von Luftverunreinigungen hauptsächlich gegen diesen zu richten (§ 47 Abs. 4 BImSchG)“.
Und
„Die meisten Maßnahmen zur Verringerung der NO2-Belastung werden sich auch positiv hinsichtlich einer Verminderung von Feinstäuben auswirken.“
Europäische Gesetzgebung – Situation in Heidelberg
Während der Jahresmittelwert 2023 für Feinstaub der Größe 2,5 µg/m³ in Heidelberg noch den europaweiten Grenzweiten entsprach, ist mit der am 23.10.2024 verabschiedeten europäischen EU Richtlinie Luftschadstoffe (2024/2881) 2030 eine neue rechtliche Situation entstanden, denn sie legt neben dem Jahresmittelwert von 10 PM 2,5 µg/m³ auch einen Tagesmittelwert von 25 PM 2,5 µg/m³ fest, der nur 18 mal im Kalenderjahr überschritten werden darf.
Zwischen dem 04.02.2025 und dem 10.02.2025 wurde dieser Tagesmittelwert in Heidelberg aufgrund der Inversionswetterlage an sieben Tagen schon 4 mal überschritten. Wenn man sich einen längeren Zeitraum anschaut, stellt man fest, dass PM 2,5 µg/m³ in Heidelberg in den rund 6 Wochen vom 08.01.2025 bis 16.02.2025 schon an 11 Tagen überschritten wurde,

also nicht nur bei extremen Inversionswetterlagen. Rechnet man diesen Wert aufs Jahr hoch, kommt man auf 90 Tage. Selbst wenn man davon nur die Hälfte annimmt, wird der ab 2030 geltende Tagesmittelwert von 25 PM 2,5 µg/m³ an 45 Tagen überschritten, also das 2,5-fache der erlaubten 18 Tage pro Kalenderjahr.
Auch darf man nicht vergessen, dass sich die EU bei ihrer neuen Richtlinie 2030 an den Werten der World Health Organization (WHO) orientiert hat, die mit einem Jahresmittelwert von 5 PM 2,5 µg/m³ weit striktere Grenzwerte fordert, um die Bevölkerung zu schützen.
Es muss also etwas getan werden, und dass, wie beim Lärmaktionsplan, nicht erst 2030.
Maßnahmen zur Vermeidung von Luftschadstoffen
Neben der Wiedereinrichtung der Umweltzonen bedarf es der Einrichtung von Alarmschwellen und Informationsschwellen für Schwefeldioxid, Stickstoffdioxid, Feinstaubpartikel (PM 10 und PM 2,5) und Ozon, bei deren Überschreitung die Öffentlichkeit gewarnt und kurzfristige Maßnahmen ergriffen werden sollten. Zusätzlich bedarf es aktueller Informationen über die Konzentrationen aller regulierten Schadstoffe in der Luft, sowie über die Auswirkungen auf die Gesundheit, die geltenden Luftqualitätspläne, Luftqualitätsfahrpläne und Pläne für kurzfristige Maßnahmen, zu denen die Öffentlichkeit in leicht verständlicher Form Zugang haben sollte.
Da der motorisierte Verkehr der Hauptemittent der Schadstoffe ist, müssen in Heidelberg zur notwendigen Reduktion dieser Emissionen durch Stadtplanung und Verkehrsmanagement vor allem folgende Aspekte betrachtet und umgesetzt werden (siehe EU-Richtlinie, Anhang VIII, 2024):
- Verkehrsüberlastungsgebühren, wie Straßenbenutzungsgebühren und kilometerabhängige Nutzungsgebühren;
- Parkgebühren auf öffentlichen Flächen und sonstige finanzielle Anreize und gestaffelte Gebühren für umweltschädliche und emissionsfreie Fahrzeuge;
- Einführung von Zufahrtsbeschränkungen für Fahrzeuge zu städtischen Gebieten, einschließlich Niedrigemissionszonen und Nullemissionszonen;
- Einrichtung von verkehrsarmen Stadtvierteln, Superblocks und autofreien Stadtvierteln;
- Einrichtung autofreier Straßen;
- Vorkehrungen für die Zurücklegung der „letzten Meile“ ohne (Abgas-)Emissionen;
- Förderung von Carsharing und Fahrgemeinschaften;
- Schaffung von multimodalen Knotenpunkten, die verschiedene nachhaltige Verkehrslösungen und Parkmöglichkeiten miteinander verbinden;
- Schaffung von Anreizen für das Radfahren und Zufußgehen, z. B. durch die Ausweitung des Raumangebots für Radfahrer und Fußgänger, die Priorisierung von Radfahrern und Fußgängern bei der Infrastrukturplanung und den Ausbau des Radwegenetzes;
- Maßnahmen zur Förderung einer Verkehrsverlagerung auf aktive Mobilität und umweltfreundlichere Verkehrsmittel (z. B. zu Fuß gehen, Radfahren, öffentliche Verkehrsmittel oder Eisenbahn);
- Sicherstellung einer reibungslosen Intermodalität beim Pendelverkehr zwischen Stadt und Land, z. B. zwischen Bahn und Fahrrad sowie zwischen Personenkraftwagen und öffentlichem Verkehr (z. B. Park-and-Ride-Systeme);
Feinstaub gefährdet die Gesundheit aller Bürgerinnen und Bürger. Eine Reduzierung des motorisierten Individualverkehrs und die Förderung des Rad- und Fußverkehrs sind ein Muss, um die Luftqualität nachhaltig zu verbessern. Die Radstrategie im Rahmen des Klimamobilitätsplans ist unbedingt zügig umzusetzen. Eine Gesundheitsgefährdung der Bevölkerung kann nicht dem politischen Lavieren und dem Vorschieben von Finanzierungslücken anheimgestellt und auf den Nimmerleinstag verschoben werden.
Wir appellieren an die Stadtverwaltung, die Umsetzung der Radstrategie 2030 und des Klimamobilitätsplans 2035 mit höchster Priorität voranzutreiben.
Der Radentscheid Heidelberg ist bereit, gemeinsam mit der Stadt und anderen Akteuren an Lösungen zu arbeiten, die eine nachhaltige und gesunde Mobilität für alle ermöglichen.
Literatur
Europäische Kommission (2022). Fragen und Antworten zu den neuen Luftqualitätsvorschriften, 26. Oktober 2022. Brüssel https://ec.europa.eu/commission/presscorner/detail/de/qanda_22_6348
Europäische Union (2024). Richtlinie (EU) 2024/2881 des europäischen Parlaments und des Rates vom 23. Oktober 2024 über Luftqualität und saubere Luft für Europa. Amtsblatt der europäischen Union https://eur-lex.europa.eu/eli/dir/2024/2881/oj
Europäische Union – Pressemitteilung Vertretung in Deutschland (2024). Parlament und Rat einig über neue Regeln zur Luftqualität. https://germany.representation.ec.europa.eu/news/parlament-und-rat-einig-uber-neue-regeln-zur-luftqualitat-2024-02-21_de
Landesanstalt für Umwelt Baden-Württemberg. Luft – Aktuelle Messungen und Prognosen. https://www.lubw.baden-wuerttemberg.de/luft/
Regierungspräsidium Karlsruhe (2006). Luftreinhalte-/Aktionsplan für den Regierungsbezirk Karlsruhe. Teilplan Heidelberg (Stand 10.02.2006)
Umweltbundesamt. Feinstaub – PM2,5