Im Verlauf der Sitzung des Bezirksbeirates Bergheim am 26. September 2023 präsentierte das Amt für Mobilität erstmals der Öffentlichkeit seine Planung zur Durchführung eines Verkehrsversuches in der Mittermaierstraße. Räumlich bezieht sich der Verkehrsversuch auf den Bereich zwischen der Kreuzung Vangerowstraße und dem Hauptbahnhof. Zudem ist der Aufbau nur einseitig in Fahrtrichtung Hauptbahnhof geplant. Zur Umsetzung des Verkehrsversuches stellt das Amt für Mobilität zwei Varianten zur Auswahl, eine stufenweise Umsetzung (Variante 2) und eine komplette Umsetzung (Variante 1). Welche der beiden Varianten zur Ausführung kommen wird, soll der Gemeinderat am 14. Dezember entscheiden.
Die Unterlagen der Stadtverwaltung zum Verkehrsversuch Mittermaierstraße sind unter folgendem Link einzusehen:
Wir freuen uns, dass das Amt für Mobilität seine Ankündigung vom Juni 2022 zur Durchführung eines Verkehrsversuches in der Mittermaierstraße somit zum Teil erfüllt hat. Für uns bleibt jedoch die Frage offen, warum die Durchführung des Verkehrsversuches trotz Aufnahme in die Liste der Sofortmaßnahmen für die Jahre 2022 und 2023 nochmal vom Gemeinderat beschlossen werden soll. Die Liste der Sofortmaßnahmen wurde dem Gemeinderat bereits im September 2022 vorgelegt.
Kurzbeschreibung der Variante 1 (komplette Umsetzung)
Die Variante 1 beinhaltet die Umwandlung einer Autospur in eine Radspur für etwa 2 bis 3 Monate ab der Kreuzung Vangerowstraße bis zum Hauptbahnhof. Jedoch nicht in beide Richtungen, sondern ausschließlich in Fahrtrichtung Hauptbahnhof. Der schmale Seitenstreifen, der aktuell für den Fuß- und Radverkehr geteilt ist, wird dann in kompletter Breite dem Fußverkehr zugeordnet. Das Abbiegen in die Vangerowstraße bleibt weiterhin auf zwei Spuren bestehen.
Kurzbeschreibung der Variante 2 (stufenweise Umsetzung)
Die Variante 2 beinhaltet zunächst nur die Umwandlung einer Autospur in eine Radspur ab der Kreuzung Vangerowstraße bis zur Kreuzung Bergheimer Straße. Nach einer ersten Testphase von mindestens 3 Monaten soll entschieden werden, ob der Verkehrsversuch wie bei der Variante 1 bis zum Hauptbahnhof erweitert wird.
Wie bewertet der Radentscheid die Varianten?
Der Radentscheid hinterfragt die Sinnhaftigkeit einer stufenweisen Umsetzung des Verkehrsversuches. Die grundsätzlichen Ziele eines Verkehrsversuches auf der Mittermaierstraße bestehen darin:
- bessere Bedingungen für eine menschen- und klimagerechte Mobilität anzubieten,
- durch mehr Platz und somit mehr Sicherheit Menschen zum Umstieg vom Auto auf das Rad oder den ÖPNV zu ermutigen,
- die positiven Effekte einer Neuaufteilung des vorhandenen Straßenraumes für Zufußgehende und Radfahrende erlebbar zu machen,
- Erkenntnisse für eine dauerhafte Verstetigung unter realen Bedingungen zu gewinnen.
Die stufenweise Umsetzung der Variante 2 beginnt mit einem kurzen Teilstück, welches die vorgenannten Ziele allesamt nicht erfüllen wird. Spürbare Vorteile für den Fuß- und Radverkehr werden durch diesen Aufbau nicht erreicht. Die Begrenzung auf ein kurzes Teilstück fokussiert sich lediglich auf die Minimierung des Eingriffs in den Autoverkehr und einen möglichst schnellen Rückbau mit wenig Aufwand nach der ersten Testphase. Ein ernsthaftes Interesse an einer dauerhaften Stärkung des Fuß- und Radverkehrs ist somit nicht erkennbar.
Die Variante der kompletten Umsetzung greift zwar grundlegende Aspekte aus dem Vorschlag des Radentscheids auf, lässt jedoch wichtige Aspekte außen vor, wie die Wegnahme von Rechtsabbiegemöglichkeiten für den Autoverkehr, Schaffung von konfliktfreien Aufstellflächen für Zufußgehende und Radfahrende vor der LSA über die Vangerowstraße und Stärkung eines gleichmäßigen Verkehrsflusses. Wichtigster Aspekt, der nicht übernommen wurde, ist eine Versuchsanordnung in beide Richtungen.
Im März dieses Jahres veröffentlichte der Radentscheid einen eigenen Vorschlag zur Durchführung eines Verkehrsversuches in der Mittermaierstraße: Verkehrsversuch Mittermaierstraße – Radentscheid Heidelberg, ein Projekt von Fahrrad & Familie e.V. (radentscheid-heidelberg.de)
Verbesserungsvorschläge für den Verkehrsversuch
Der Radentscheid unterstützt zwar die komplette Umsetzung des Verkehrsversuches (Variante 1), führt aber dennoch folgende Verbesserungsvorschläge an.
Versuchsaufbau in beide Richtungen
Um Radfahrenden und Zufußgehenden den tatsächlichen Nutzen einer für sie verbesserten Infrastruktur erlebbar zu machen, sollte der Verkehrsversuch in beide Fahrtrichtungen eingerichtet werden. Menschen, die sich mehr Sicherheit im Straßenverkehr wünschen, werden nicht auf das Rad umsteigen, wenn sie jeweils eine Fahrt doch wieder auf unsicheren Wegen durchführen müssen.
Erhöhung der Verkehrssicherheit
Die Möglichkeiten zum Rechtsabbiegen sollten unterbunden werden. Auf der Strecke des Verkehrsversuchs liegen drei Rechtsabbieger für Kfz, die nicht konfliktfrei durch eine Ampelschaltung realisiert sind. Bergheimer Straße, Alte Eppelheimer Straße, Kurfürstenanlage sind die drei Rechtsabbiegesituationen, die immer wieder zu gefährlichen Situationen und Rückstaueffekten führen.
Reduktion der Geschwindigkeiten
Eine geringere Geschwindigkeit führt auch auf der Mittermaierstraße zur Beruhigung des fließenden Verkehrs, verbessert Reaktionszeiten, reduziert Lärm und den Ausstoß von Treibhausgasen.
Einrichten einer „Grünen Welle“
Das Einrichten einer „grünen Welle“ unterstützt einen gleichmäßigen Verkehrsfluss. Aktuell befinden sich im Verlauf der Mittermaierstraße drei Ampeln für Radfahrende, die i.d.R. nur einzeln überquert werden können.
Verlängerung der Dauer des Verkehrsversuchs
Die Dichte des Verkehrssaufkommens in der Mittermaierstraße unterliegt starken Schwankungen, bedingt durch Schulferien, Semesterferien oder auch Jahreszeiten. Zudem werden sich durch den Versuch Verlagerungseffekte ergeben, die sich erst zeitlich versetzt zeigen. Um alle Einflüsse bewerten zu können, sollte die Dauer des Verkehrsversuches über die 2 bis 3 Monate hinaus deutlich verlängert werden.
Begleitende Maßnahmen
Ein solcher Verkehrsversuch muss kommunikativ begleitet werden, damit Betroffene und Beteiligte informiert werden.
Auch ist es hilfreich, dass zusätzliche Mobilitätsangebote insbesondere für diesen Streckenabschnitt angeboten werden können. Die Nutzung von Next-Bikes zwischen Neuenheimer Feld und Hauptbahnhof könnte über die Dauer des Verkehrsversuchs kostenfrei nutzbar sein.
Eine temporäre Ergänzung von Angeboten im betrieblichen Mobilitätsmanagement von Unternehmen, deren Mitarbeitende diese Verkehrsverbindung regelmäßig nutzen, ist ebenso denkbar.
Entwicklungsperspektiven
Wir sehen vielfache Potentiale für diesen Verkehrsversuch. Im Zusammenhang mit diesem Verkehrsversuch werden Verlängerungen der Wegstrecke in Richtung Norden und Süden diskutiert. In allen Details müssen die Anforderungen an Verkehrssicherheit und natürlich auch an notwendige Rettungswege berücksichtigt werden.
Wir setzen uns dafür ein, dass die Belange von Zufußgehenden und Radfahrenden nicht nur in der Mittermaierstraße, sondern im gesamten Stadtgebiet verbessert werden. Mit seiner Entscheidung zum Verkehrsversuch kann der Gemeinderat ein Zeichen für sein ernsthaftes Interesse an einer menschen- und klimagerechten Mobilitätswende in Heidelberg setzten.