Mit einer Reihe von Pop-Up-Radwegen zeigte der Radentscheid bereits in der Vergangenheit, dass der Verkehrsraum sehr wohl neu aufgeteilt werden kann. Basierend auf der Bereitschaft der Stadtverwaltung, einen Verkehrsversuch auf der Mittermaierstraße zu planen und durchzuführen, beendete der Radentscheid seine Pop-Up-Radwege-Serie im Sommer 2022.
Im September 2022 wurde dem Gemeinderat eine Liste von sogenannten Sofortmaßnahmen für den Radverkehr vorgestellt, die in den Jahren 2022 und 2023 umgesetzt werden sollen. Der Verkehrsversuch Mittermaierstraße ist Teil dieser Sofortmaßnahmen. Der Radentscheid widmet sich diesem Verkehrsversuch und den Verbesserungspotenzialen für den Stadtteil Bergheim hier im Detail.
Der Stadtteil
Bergheim ist durchzogen von zweistreifigen Straßen, die den Stadtteil förmlich zertrennen. Die Lärm- und Abgasbelastung sowie die Gefahr, die vom Verkehr ausgeht, verdrängen die Menschen aus dem öffentlichen Raum. Ruhige Orte innerhalb des Stadtteils finden die Bewohner:innen lediglich in den straßenabgewandten Innenhöfen der Blockbebauung. Der Raum für spontane Begegnungen oder einen sozialen Austausch ist durch das Auto belegt. Eine Querung durch den Verkehr erschwert, die Menschen isoliert. Komfortables Vorankommen gibt es ausschließlich für Kfz-Nutzende, alle anderen haben das Nachsehen.
Die Mittermaierstraße
Bei der Mittermaierstraße handelt es sich um eine der Hauptschneisen durch den Stadtteil Bergheim. Zwei Spuren je Fahrtrichtung, zwischen den Knotenpunkten Vangerowstraße und Kurfürstenanlage. Zu Fußgehende und Radfahrende teilen sich beidseitig jeweils einen schmalen Streifen. Konflikte zwischen Fuß- und Radverkehr sind dabei unvermeidlich.
Als Teil der Verbindung zum Neuenheimer Feld wird die Mittermaierstraße entsprechend der Regelarbeitszeiten morgens und nachmittags stoßweise stark befahren.
Der Verkehrsversuch
Der Radentscheid hat ein Konzept entwickelt, welches auf folgenden Zielen beruht:
- Erhöhung der Verkehrssicherheit
- Erhöhung der Lebensqualität
- Unterstützung der Mobilitätswende
Zur Erreichung dieser Ziele beinhaltet das Konzept des Radentscheids verschiedene Ansätze:
1. Konfliktfreie Verkehrsströme
Die konfliktbehaftete Führung von zu Fußgehenden und Radfahrenden auf den unterdimensionierten getrennten Fuß- und Radweg-Streifen neben der Straße soll vollkommen den zu Fußgehenden gewidmet werden. Eine Fahrspur des Autoverkehrs je Fahrtrichtung soll für den Radverkehr umgenutzt werden. Davon ausgenommen ist der Abschnitt zwischen Bergheimer Straße und Vangerowstraße in Richtung Neuenheimer Feld. Dort sollte die von der Straßenbahn mit genutzte Fahrspur ausschließlich von der Straßenbahn und von Rettungsfahrzeugen genutzt werden, um auch den ÖPNV vom Straßenverkehr zu trennen.
Die Trennung der einzelnen Verkehrsströme soll nicht nur die Konflikte der einzelnen Verkehrsteilnehmer untereinander vermeiden, sondern auch zu mehr Sicherheit führen, sodass auch noch unsicheren Menschen der Umstieg auf das Rad erleichtert wird.
2. Beruhigung des Verkehrs
Um einen fließenden Verkehr auch nach dem Wegfall einer Fahrspur erhalten zu können, soll es keine Möglichkeit geben, rechts abzubiegen. Diese Maßnahme soll nicht nur den Rückstau abbiegender Fahrzeuge in den fließenden Verkehr verhindern, sondern auch die Sicherheit für Radfahrende erhöhen, die häufig von rechtsabbiegenden Kraftfahrzeugen übersehen werden. Der Durchfluss von Fahrzeugen durch die Bergheimer Straße und die Alte Eppelheimer Straße soll verringert und die Quartiere entsprechend beruhigt werden.
Eine Reduzierung der Geschwindigkeit auf 30 km/h wird neben dem Einrichten einer grünen Welle den gleichmäßigen Verkehrsfluss stärken.
Insgesamt führt die Beruhigung des Verkehrs nicht nur zu mehr Sicherheit, sondern auch zu einer deutlichen Reduzierung von Abgasen und Lärm im gesamten Stadtteil und somit zu einer gesteigerten Lebensqualität.
3. Mobilitätswende
Die Herausforderung zur Reduzierung des innerstädtischen Autoverkehrs hat die Stadt Heidelberg erkannt. Ein wesentlicher Baustein ist dabei der Pendelverkehr mit dem Auto. Ein städtisches Konzept besteht darin, dass Pendler, die nicht komplett auf den ÖPNV umsteigen können, außerhalb von Heidelberg ihr PKW abstellen und mit öffentlichen Verkehrsmitteln zu ihrem Arbeitsplatz gelangen können. Die Umsetzung erfordert jedoch einen besseren Ausbau des öffentlichen Verkehrsnetzes und die Schaffung von Umstiegsmöglichkeiten. Ziel sollte es sein, für alle Menschen ein Angebot zu schaffen, vom Auto auf das Rad oder den ÖPNV umzusteigen. Die Menschen, denen ein Umstieg aufgrund einer strukturellen Benachteiligung nicht möglich ist, sollten das Auto vorerst weiterhin nutzen können. Die strukturelle Benachteiligung wird nicht durch die Art der Mobilität gelöst. Die Art der Mobilität ist mehr ein Symptom als eine Ursache.
Der Hauptbahnhof spielt als Baustein der Mobilitätswende eine zentrale Rolle. Durch den geplanten Aus- und Umbau des Hauptbahnhofs mit einer Tiefgarage und einem Parkhaus für Fahrräder wird der Bahnhof an Bedeutung als Umstiegspunkt von der Bahn auf das Rad (und umgekehrt) deutlich gestärkt. Als direkte Verbindung zum Neuenheimer Feld kommt der Mittermaierstraße dabei neben den weiteren Verkehrsachsen im Stadtgebiet eine herausragende Stellung zu. Von daher ist es wichtig, diese Achse für die Bahn-Rad-Pendler sicherer zu gestalten und auszubauen.
Die Gelegenheit
Unser erklärtes Ziel ist es, dass wir bei der Stadt- und Verkehrsplanung MUT zur Veränderung beweisen. Wir selbst merken, wie es uns an vielen Stellen an Vorstellungskraft mangelt, um uns vorzustellen, wie Städte wieder aussehen können. Der Verkehrsversuch Mittermaierstraße bietet dafür eine großartige Gelegenheit.
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Zusammenfassung 1.Entwurf Verkehrsversuch Mittermaierstraße als PDF